Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend dazu: "Kinder und Jugendliche können effektiv vor negativen
Einflüssen geschützt werden". Ein sinnvoller Ansatz, doch
was für Änderungen sind mit dem neuen Gesetz konkret in Kraft
getreten? Gerade im Bereich der Medien zeigt sich ein durchaus ambivalentes
Bild. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien
BPjM (früher Bundesprüfstelle für jugendgefährdende
Schriften) kann nun selbstständig Filme indizieren und damit einem
weitgehenden Werbe- und Vertriebsverbot unterstellen. Computerspiele müssen
mit einer verbind-lichen Altersfreigabe gekennzeichnet werden und schwer
jugendgefährdende Medien können direkt - ohne vorherige Indizierung
- beschlagnahmt werden. Dafür sind aber auch viele Regelungen gelockert
worden: Kinder zwischen 6 und 12 Jahre dürfen mit ihren Eltern nun
auch "ab 12" geprüfte Kinofilme besuchen, einmal als jugendfrei
geprüfte Medien sind nicht mehr zu indizieren und nach 25 Jahren
erlischt, wenn sie nicht neu beantragt wird, eine Indizierung automatisch.
Experten sehen die neuen Regelungen dementsprechend
auch relativ kritisch: Prof. Dr. Heribert Schumann, Lehrstuhl für
Strafrecht, Wirtschaftsstrafrecht und Jugendschutzrecht an der Universität
Leipzig, hält das ganze Verfahren der Indizierung für "Schwachsinn".
Es wurde in den 50er Jahren eingeführt und ohne große Änderungen
beibehalten. Damals war der Medienmarkt noch überschaubar - heute,
so Prof. Dr. Schumann, "dauert das Verfahren viel zu lange: Antragstellung,
Termin bei der BPjM, Beratung, Bekanntmachung, In-Krafttreten - bis dahin
ist das betreffende Medium weiter verkaufbar". Auch sei das Gesetz
im Eindruck des Amoklaufs viel zu schnell verfasst und beschlossen worden:
zahlreiche schwammige Begriffe wie "unnatürliche, ge-schlechtsbetonte
Darstellung" und grammatikalische Fehler finden sich in dem Gesetzestext.
"Eine schlichte Katastrophe", nennt der Professor das neue Jugendschutzgesetz
zusammenfassend.
Auch Dr. Roland Seim, Verleger und Autor von zahlreichen Büchern
zum Thema Jugendmedienschutz in Deutschland, ist mit dem Gesetz nicht
zufrieden. Er kritisiert ebenfalls, dass es "nach wie vor an eindeutigen
Definitionen von Kunst oder Gewalt bzw. Pornographie fehlt" und dass
die weltweit einmalige BPjM mehr Macht erhält: "Das Verbot von
Medien (vor allem Filmen), die in vielen Nachbarländern legal sind,
ist gerade im Hinblick auf den europäischen Einigungsprozess merkwürdig."
Dr. Seim hält es für wichtiger, dass für das Thema Jugendschutz
sensibilisiert wird, denn "Gesetze schaffen erst mal kein neues Bewusstsein
und fördern nicht die Medienkompetenz".
Für den "erzieherischen Kinder- und Jugendschutz" sind
laut Gesetz die Jugendämter zuständig. Martin Gransow, Dipl.-Sozialarbeiter
im Jugendamt der Stadt Leipzig, sieht dann auch die Prävention als
seine wichtigste Aufgabe. Es werden Projekte zur Schaffung von Medienkompetenz
gefördert, Veranstaltungen mit Eltern, Lehrern oder Kindern durchgeführt
und Unternehmen bei der korrekten Umsetzung des JuSchG unterstützt.
Er kritisiert, dass "die Chance auf ein einheitliches Gesetz vertan"
wurde, da es immer noch zu starken Kompetenzrangeleien zwischen Bund und
Ländern kommen kann. Obwohl mit dem neuen JuSchG das alte "Gesetz
über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften" und
das "Gesetz zum Schutz von Jugendlichen in der Öffentlichkeit"
zusammengeführt wurden, liegt eine weitere Trennung vor. Im Jugendschutzstaatsvertrag
werden die Richtlinien für Fernsehen und Rundfunk extra geregelt
und unter Länderverantwortung gestellt. Die festen Trägermedien
werden bundesweit über das Jugendschutzgesetz behandelt.
"Im Moment findet eine Strukturbildung statt, wer das neue Gesetz
umsetzt", so Martin Gransow. "Die gesetzlichen Normierungen
liegen vor, doch die Frage, wie die Umsetzung in der Praxis funktioniert,
ist noch nicht geklärt."
Gerade die Frage der Regelung von Kontrollen des JuSchG ist noch nicht
konkret beantwortet. Auch hier haben die einzelnen Bundesländer über
"Ausführungsbestimmungen zum Jugendschutzgesetz" Entscheidungskompetenz.
In Sachsen ist geregelt, dass die Polizei und der Polizeivollzugsdienst
Kontrollen durchführen. Da vor allem das Ordnungsamt als Polizeivollzugsdienst
arbeitet, wäre es also verantwortlich die Durchführung von Kontrollen
zu beauftragen. Herr Howeller vom Ordnungsamt sieht das anders: "Die
Kontrolle des Jugendschutzgesetzes gehören eigentlich nicht zu den
Aufgaben des Ordnungsamtes. Es wird höchstens im Auftrag des Jugendamtes
gemeinsam mit der Polizei tätig".
Auch wenn es zwar durchaus vorkommen kann, so Martin Gransow, dass das
Jugen-damt den Auftrag zu einer Kontrolle gibt, sei dies nicht der Regelfall.
Eine offensichtliche Unklarheit bei der Umsetzung des Gesetzes, die auf
Kosten des Jugendschutzes geht?
"Wir haben hier noch keine Kontrollen erlebt", sagt Petra Klemann,
Geschäftsführerin des Passage Kinos Leipzig. Zwar werde bei
der Kartenkontrolle immer optisch das Alter der Besucher kontrolliert
und konsequent der Einlass verwehrt, aber gerade die Bestimmungen zu Kindern
und Jugendlichen in Spätvorstellungen seien so unübersichtlich,
dass es durchaus zu Fehlern kommen könne. Umso unverständlicher
ist es für sie, dass in den mehr als 5 Jahren, die das Kino schon
betrieben wird, keine Überprüfung durchgeführt wurde.
Als einzige Lösung für das sensible Thema Jugendschutz sieht
auch Ministerin Schmidt das Gesetz nicht. Wie viele Experten meint sie,
dass das neuen JuSchG alleine nicht ausreicht: "Die gesamte Gesellschaft
steht in der Verantwortung, Kinder und Jugendliche vor schädlichen
Einflüssen zu schützen.".
Der Autor Jan Berger freut sich über
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